Momentaufnahmen

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Heute:

„Life is short. Take the trip. Buy the shoes. Drink the wine. Order the dessert.“

Vor zwei Wochen:

Zum ersten Mal seit langem liege ich nachts wach. In den letzten Jahren ist mir das eigentlich nur passiert, wenn mir irgendein Gerichtsverfahren nicht mehr aus dem Kopf gegangen ist; oder wenn unser mit einigen Gedächtnislücken gesegnete Sekretariatsmitarbeiter etwas vergessen haben könnte.

So langsam frage ich mich (offenbar vorzugsweise nachts), was denn jetzt eigentlich aus mir wird. Beruflich. Hier im schönen Österreich. In Deutschland hat sich die Jobsuche bisher als nicht sonderlich schwierig erwiesen. Klar, es macht sich eben auch leichter, sich mit einem abgeschlossenen deutschen Jurastudium in Deutschland zu bewerben. Aber hier?

Studiert man in Österreich "Jus", trägt man nach dem Studium, den akademischen Grad eines Magisters der Rechtswissenschaften, Mag. iur.. Ein Staatsexamen gibt es hier gar nicht. Nach dem Studium folgen in Österreich 5 Jahre "praktische Verwendung", an deren Anschluss eine Zulassung als Rechtsanwalt unter Einhaltung der weiteren Voraussetzungen möglich ist (Wikipedia).

Ich bin nach meinem zweiten Examen in Deutschland Volljuristin, assessor iuris, abgekürzt „ass. iur.“ - oder "Assistenzjuristin", wie einer meiner Gegener am Telefon aufgrund der offenbar gesellschaftlich nicht allzu verbreiteten Bezeichnung vermutete. Damit kann ich in Deutschland zumindest in der Theorie jeden der klassischen juristischen Berufe ergreifen. Hier gilt das nicht.  

Zwar besteht grundsätzlich die Möglichkeit, sich einen ausländischen Abschluss oder akademischen Grad in Österreich anerkennen zu lassen, gerade im juristischen Bereich ist dies - nachvollziehbar - jedoch nur unter Einhaltung weiterer Voraussetzungen denkbar. Mit diesen Voraussetzungen habe ich mich bisher gar nicht so intensiv befasst. Ob "Titel" oder nicht, am Ende weiß ich deswegen trotzdem nicht mehr. So dachte ich.

Die Frage, z.B. beim Zahnarzt, welchen "Titel" man bei mir denn hinterlegen dürfe, habe ich bisher selbstbewusst mit "keinen" beantwortet. Mit Titel meint man in diesem Kontext den akademischen Grad, den man z.B. nach Abschluss eines Studiums erlangt hat. Nun ist dieser "Titel" beim Zahnarzt nicht so entscheidend. (Den Zahnarzt möchte man ja sowieso am liebsten gar nicht wiedersehen.) Bei der Jobsuche dürfte sich ein akademischer Grad, der dem Namen faktisch wie bei uns ein Doktortitel voran- oder nachgestellt werden kann, allerdings anbieten. Generell scheinen dieser "Titel" hier deutlich wichtiger zu sein als in Deutschland. Schon die Deutschen sind für mein Empfinden irgendwie ziemlich Titel versessen. "Titel" in diesem Sinne ist in Österreich aber eben nicht nur ein Doktortitel, der tatsächlich auch in Deutschland stets angegeben wird, sondern eben auch ein gewöhnlicher Uniabschluss, wie ein Diplom, Bachelor oder Master. Kann man also keinen "Titel" angeben, sagt man damit eigentlich: Ich habe formal nichts gelernt.

Die Sache mit dem korrekten Titel bzw. akademischen Grad macht hier schon Sinn. Ein Ingenieur wird auch formal in Form eines entsprechenden Namenszusatzes zu einem solchen, wenn er drei Jahre in dem Beruf arbeitet. Klar, dass sich die studierten Ingenieure durch Angabe ihres tatsächlich erlangten akademischen Grades abgrenzen wollen. Er ist dann z.B. Diplomingenieur Max Meier und nicht nur Ingenieur Max Meier.

Für mich ist die Titelsache aber natürlich erst einmal schlecht; schließlich habe ich hier keinen; zumindest keinen, der sich ohne Weiteres übertragen lässt. Zumal man mit jedem Job auch anspruchsvoller wird. Vielleicht auch, weil einem bewusst wird, wie wichtig Zeit ist und dass die Lebenszeit doch tatsächlich sehr begrenzt ist.

Mein Name steht jetzt also erst einmal allein da (was prinzipiell natürlich erst einmal nichts über Können und Erfahrung aussagt). Auf Antrag verleiht die Juristische Fakultät der Universität Potsdam (dort habe ich studiert) mittlerweile den Titel »Diplom-Juristin« bzw. »Diplom-Jurist« (Dipl.-Jur.). Allerdings erst für Absolventen ab 2012; ich habe meinen Abschluss 2009 gemacht. Mein Name bleibt also erst einmal allein. Theoretisch könnte aus mir eine "europäische Rechtsanwältin" werden. Klingt nett, als solche möchte ich aber nicht arbeiten. Hinzu kommt, dass ich - laut diverser Plattformen im Internet - mittlerweile auch eine "erklärungsbedürftige Lücke" in meinem Lebenslauf. Das ärgert mich. Nicht die Lücke von derzeit drei Monaten, sondern der scheinbar dahinterstehende, vermittelte Ansatz, dass Urlaub, Lebensfreude und eigene Freizeitgestaltung kein für den Arbeitgeber "legitimer" Zeitvertreib sein sollen. Noch möchte ich das einfach nicht glauben! ....und was sind ein paar Monate gerechnet auf das gesamte Arbeitsleben?!

 
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